Straßenhunde haben in den meisten Ländern keinen viel besseren Ruf, als Ratten. Sie sind unerwünscht, werden als Krankheitsüberträger angesehen, harren in Restaurants aus, durchwühlen den Müll und Anwohner fühlen sich belästigt. Wenn man ehrlich ist, in Deutschland wäre ein Rudel frei lebender Hunde in der Wohnsiedlung oder in der Innenstadt auch nicht erwünschter. In Deutschland kommt nun zusammen, dass zum einen Hunde nicht mehr in erster Linie Nutztiere sind, sondern Freizeitpartner und Familienmitglied, mit entsprechender, dem Menschen eng angeschlossener Haltung. Zudem gibt es ein relativ gut funktionierendes System aus Tierheimen auf der einen Seite und Reglementierungen und Vorschriften für Hundehalter auf der anderen Seite. Dies zusammen führt dazu, dass Hundehaltung und Anschaffung meist halbwegs durchdacht stattfinden, in der Regel Mindestansprüche der Hundehaltung erfüllt sind und relativ wenig unkontrollierte (sprich: vom Menschen unerwünschte) Vermehrung stattfindet.
Auch in z.B. Spanien und Griechenland findet diesbezüglich langsam ein Umdenken statt. Noch gibt es dort allerdings deutlich mehr Hunde, als gute Zuhause für sie und zu viele Hunde haben die Möglichkeit, sich unkontrolliert zu vermehren. Der Nachwuchs von Mischlingen wird verschenkt, ausgesetzt oder umgebracht. Dazu kommt: wo der Hund Nutztier ist, gibt es entsprechend Ausschuss, auch bei Rassehunden. Und oft genug wird ein Welpe als Kinderspielzeug angeschafft und landet dann an der Kette oder wird ausgesetzt. Dies zusammen mit der Tatsache, dass nicht genügend Mittel für gute Tierheime zu Verfügung stehen, führt letztlich dazu, dass sich immer noch Hunde mehr schlecht als recht auf der Straße durchschlagen müssen und der Willkür der Menschen ausgesetzt sind, bis sie umgebracht oder von einem Hundefänger eingefangen werden. Letzteres schiebt den Tod oft nur auf, weil viele Tierheime die Hunde einschläfern, wenn sie nach einer gewissen Frist nicht vermitteln werden können. Die Tierheime sind trotzdem überfüllt. Leider ist es in Südeuropa noch eher unüblich, sich einen erwachsenen Mischling aus dem Tierheim Nachhause zu holen.
Viele Tierschützer, die ehemalige Streuner nach Deutschland vermitteln, begannen damit nach einem Urlaub in der entsprechenden Region, der sie das Tierelend vor Ort erleben ließ. Aber wie hilfreich ist der Import von Straßenhunden wirklich?
Seit einigen Jahren steigt die Anzahl von Vermittlungen von ausländischen Tierschutzhunden nach Deutschland stark an. Straßenhunde, ungewollte Welpen und Kandidaten aus Tötungsstationen ausländischer Tierheime werden nach Deutschland geholt, auf Pflegestellen und Tierheime verteilt oder direkt an ihre neuen Besitzer übergeben. Vor allem das Internet mag diesen Trend erst möglich gemacht haben: Mit harten Worten und Bildern wird auf das Tierelend andernorts aufmerksam gemacht und Vermittlungskandidaten vorgestellt.
Die Frage, ob es hilfreich ist, den Tierschutz in anderen Ländern zu unterstützen, indem man Straßenhunde und Tierheiminsassen nach Deutschland holt, spaltet selbst das Lager engagierter Tierschützer. An Pro-Argumenten wird vor allem angeführt, dass die Tiere in ihrem Ursprungsland kaum eine Überlebenschance haben, z.B. weil sie dort nach kurzer Frist im Tierheim eingeschläfert werden oder auf der Straße misshandelt, vergiftet oder durch Autos getötet werden.
Das Streunerproblem an sich löst man durch den Import von Straßenhunden natürlich nicht. Das Grundproblem ist ganz einfach: es gibt deutlich mehr Hunde, als gute Zuhause für sie. Zudem sind die meisten Hunde in Ländern mit entsprechender Problematik nicht kastriert und streunen oft genug selbst dann tagsüber auf sich alleine gestellt durch die Gegend, wenn sie theoretisch einen Besitzer haben. Die Welpen werden getötet oder ausgesetzt.
Ein bestimmter Lebensraum bietet dabei Platz und Nahrung für eine bestimmte Anzahl (Straßen-) Hunde. Der Rest stirbt. Tötet der Mensch sie oder werden einige nach Deutschland geholt, überleben eben andere, bzw. es kommen neue ausgesetzte Hunde (Welpen) nach. Nachhaltige Hilfe bieten so vor allem Projekte, die ein Umdenken in der Bevölkerung fördern, sichere Refugien für Straßenhunde bieten und vor allem Kastrationen unterstützen. Viele Tierschutzorganisationen, die Hunde nach Deutschland vermitteln, helfen auf diese Weise auch vor Ort. Die Vermittlung von Hunden nach Deutschland sorgt für etwas Geld in der Kasse, macht Organisationen und Projekte bekannter und führt zu mehr Spenden. Und natürlich finden so zumindest einige Hunde ein liebevolles Zuhause.
Der Tierschutzgedanke, das Wissen einen Hund zu retten, spielt für viele Menschen tatsächlich eine nicht unbedeutende Rolle, wenn sie sich für einen Hund aus dem Ausland entscheiden. Wichtig dabei ist, sich im Klaren zu sein, dass „Retten“ zum einen nicht automatisch zu einem glücklichen, dankbaren Hund führt, und dass ein Hund auch über das Retten hinaus einige Ansprüche stellt. Damit sind z.B. das Ausleben des Laufdrangs eines Podencos gemeint (der darüber hinaus oftmals kaum abgeleint werden kann) oder das Ausleben des Territorialtriebs eines Herdenschutzhund-Mischlings. Zudem wird so mancher Hund, der sein bisheriges Leben in einem Hunderudel auf einer einsamen Finca verbracht hat, nicht unbedingt im Trubel und der Eingeschränktheit einer Großstadt glücklich. Wie bei einem Hund, der nicht gerettet werden muss, sollte man sich daher gut überlegen, ob der Hund von seinem Wesen und den Ansprüchen her wirklich zu einem passt.
„Den“ Streuner gibt es dabei nicht. Zu unterscheiden ist z.B., ob ein Hund tatsächlich freier Straßenhund war oder z.B. ein lästig gewordener Kettenhund, ein ausrangiertes Kinderspielzeug oder ein überflüssiger Jagdhund. Entsprechend unterschiedlich sind der Freiheitsdrang, die Umweltgewöhnung, Erfahrungen mit Menschen und der Drang, sich sein Futter selbst zu erbeuten. Siehe auch: typisch Straßenhund
Ein Argument der Gegner des Imports von „Südländern“ ist, dass dadurch die Vermittlung der inländischen Tierheiminsassen erschwert würde. Tatsächlich bemühen sich viele Tierschutzorganisationen solche Hunde nach Deutschland zu holen, die gut zu vermitteln sind. Also z.B. jung, klein bis mittelgroß, mit ansprechendem Äußeren, freundlich zu Menschen und Tieren und gelassen auf Umweltreize reagierend. Wer bereit ist, einen alten Hund, einen großen schwarzen Hund, einen so genannten Kampfhund oder einen Hund mit gewissen Macken zu übernehmen, wird davon tatsächlich mehr als genug „deutsche“ in unseren Tierheimen finden. Die Frage ist, ob von diesen tatsächlich mehr vermittelt werden würden, wenn keine kleinen „netten“ Hunde aus dem Ausland im gleichen Tierheim sitzen würden. Würde die Familie auf der Suche nach einem kleinen freundlichen Hund tatsächlich alternativ den Langzeitinsassen „Schäferhund mit Aggressionsproblem“ nehmen? Und immerhin bringt die Vermittlung und das Angebot „ansprechender“ Auslandshunde Geld in die Tierheimkasse und Interessenten ins Tierheim.
Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass man mit niedlichen Hundewelpen in Not Geld verdienen kann. Es gibt leider eine Reihe nicht seriöser angeblicher Tierschutzorganisationen, die unter dem Deckmantel des Tierschutzes einen florierenden Welpenhandel betreiben.
Man wird allerdings in der Regel für jeden Hund aus dem Tierschutz eine Schutzgebühr, bzw. Vermittlungsgebühr bezahlen. Diese wird zum einen verwendet, um den betreffenden Hund bis zu seiner Vermittlung zu versorgen, ihn zu untersuchen, zu impfen, eventuell zu kastrieren und nach Deutschland zu transportieren, zum anderen wird damit bei guten Tierschutzorganisationen Hilfe vor Ort geleistet. Lokale Tierheime werden unterstützt, Straßenhunde kastriert und verletzte Hunde medizinisch versorgt. Man sollte sich gut informieren, ob die ins Auge gefasste Tierschutzorganisation wirklich seriös ist und was mit der Schutzgebühr genau gemacht wird. Erfahrungsberichte wird man im Internet zu etablierten Organisationen, aber auch zu schwarzen Schafen finden.