Eine gute Sozialisierung bedeutet, dass der Hund den Umgang mit Artgenossen und mit Menschen gelernt hat. Er kann die Signale und Kommunikation deuten und reagiert angemessen, ohne übertriebene Aggressionen oder Angst. Ebenfalls gehört zu einer guten Sozialisierung, dass der Hund seiner Umwelt souverän und gelassen zu begegnen lernt. Ein vorbei donnernder LKW ist kein Weltuntergang und Bus fahren kein Grund sich zu übergeben. Ein gut sozialisierter und an seine Umwelt gewöhnter Hund, ist ein angenehmer Begleiter im Alltag. Ein Hund, der auf vieles ängstlich oder gar angstaggressiv reagiert, schränkt den Alltag dagegen oft sehr ein.

 

Junge Welpen reagieren meist sehr unvoreingenommen und neugierig auf Neues. Alles, was sie jetzt positiv oder neutral kennen lernen, wird ihnen für den Rest ihres Lebens keine Schwierigkeiten mehr bereiten. Dazu kommt, dass der Welpe durch viele Umwelterfahrungen auch fürs Leben abspeichert, dass es keine große Sache ist, sich mit neuen Dingen auseinander zu setzen. Mindestens ebenso wichtig ist die Lernerfahrung, dass sein Mensch ihm dabei immer zur Seite steht und der Hund sich auf seinen Menschen und dessen Einschätzungen verlassen kann.

 

Bis zu einem Alter von ungefähr 4 Monaten ist die Prägung auf Neues besonders leicht. Allerdings hinterlassen in dieser Zeit auch die negativen Erlebnisse einen sehr tiefen Eindruck. Mit etwa 4 Monaten wird der Welpe dann deutlich eigenständiger, was die Gefahr mit sich bringt, dass sich unerwünschte Verhaltensweisen und Ängste festigen, die durch frühere Erfahrungen entstanden sind. Man spricht jetzt von einem Junghund, nicht mehr von einem Welpen. Der Hund unterscheidet nun auch zwischen „Rudel“ und Fremden und lässt sich auch an andere Tiere nicht mehr ganz so leicht gewöhnen. In der Natur ist dies die Phase, in der sich die Welpen langsam vom Wurfplatz entfernen und selbständiger werden. Ein gesundes Misstrauen und Vorsicht sind da überlebenswichtig.

 

Leider gibt es in der modernen Welt Unmengen von Eindrücken, Gerüchen, Geräuschen, Gegenständen und Situationen, immer wieder neue Menschen (mit Krückstock, betrunken oder im Rollstuhl), Aufzüge, flatternde Markisen, Mofas und lebensechte Tierfiguren… Ein unsicherer Hund, und ebenso seine Besitzer, sind da schnell überfordert. Glücklich ist der Welpenbesitzer, dessen Neuzugang schon beim Züchter viel kennen lernen durfte. Je abgeschotteter der Welpe aufwuchs, umso größer sind meist die Mühen, ihn umweltsicher zu bekommen.

 

Am Anfang steht die Überlegung, worauf der Welpe in seinem späteren Leben gelassen reagieren sollte. Wird er später öfter mit in die Innenstadt müssen? Wird er Bus und Bahn fahren müssen? Wird er viel unter immer wieder neuen Menschen sein? So kann man sich eine Prioritäten-Liste erstellen. Wichtig ist nämlich auch, dass der Welpe nicht mit Eindrücken überflutet und überfordert wird. Er braucht Zeit, alles zu verarbeiten. Nur wenn er Neues positiv oder neutral kennen lernt, hilft es ihm tatsächlich fürs Leben. Wichtig ist es ebenfalls, dass der Hund ein Grundvertrauen zu seinem Menschen aufbaut, falls es doch einmal zu beängstigenden Situationen kommen sollte (siehe hierzu auch „Bindung“). Meist ist das beste, was der Mensch machen kann, viel Gelassenheit und Ruhe auszustrahlen.

 

 

ein paar Vorschläge, was der junge Hund positiv oder neutral kennen lernen sollte:

 

Menschen: Junge Welpen gehen meist ohne jede Scheu auf fremde Menschen zu. Üben kann man, dass auch Rollstuhlfahrer, betrunkene (torkelnde) Menschen, Menschen mit wallenden Mänteln, Spazierstock oder großen Hüten keine Bedrohung darstellen. Auch, dass es große und kleine Menschen gibt, joggende und hüpfende, und dass Menschen manchmal so seltsame Dinge tun wie z.B. einen Regenschirm aufzuspannen. Wichtig ist, dass der Hund auch auf Rollschuh- und Fahrradfahrer gelassen reagiert. Begegnet der Hund erst im Junghundealter das erste mal einem solchen, kann die Angst oder auch der Jagdtrieb zu unliebsamen Reaktionen führen.

 

Kinder: Welpen finden Kinder meist unwiderstehlich, vor allem kleine Kinder. Erwachsene Hunde, die nie viel Kontakt mit Kindern hatten, finden Kinder dagegen oft eher beängstigend oder nervig, mit ihren ungestümen Bewegungen, den unvorhersehbaren Reaktionen und der Lautstärke. Umso wichtiger, dem Welpen Kinder positiv näher zu bringen. Wichtig ist dabei natürlich, dass der Welpe keinesfalls schlechte Erfahrungen mit Kindern macht. Hat man keine eigenen, kann man Kontakt zu Hunde erfahrenen oder ruhigen Kindern im Verwandten- und Bekanntenkreis suchen. Da sowohl Welpen, als auch Kinder zu Überreaktionen und stürmischen Handlungen neigen, ist es absolut tabu, den Welpen mit kleinen Kindern alleine zu lassen. Vielmehr sollte man den Welpen unter Kontrolle halten und auch dem Kind erklären, welches Verhalten angemessen ist.

Spaziergänge und Spiele in der Nähe von Kindergärten, Schulhöfen oder Spielplätzen ermöglichen, dass der Welpe die schreienden, spielenden, rennenden Kinder zu ignorieren lernt. Dies ist mindestens genau so wichtig, wie eine positive Reaktion des Hundes auf eine Kontaktaufnahme Seitens des Kindes.

 

Straßenverkehr: Erste Spaziergänge macht man vorzugsweise an etwas ruhigeren Straßen, reagiert der Welpe dort gelassen auf den Verkehr, steigert man dies langsam. Falls der Welpe unsicher auf den Straßenverkehr reagiert, kann man probieren, in der Nähe einer stärker befahrenen Straße mit dem Welpen zu spielen. Er hört und sieht im Hintergrund die Autos, Mofas und LKWs, da er sich aber auf den mit ihm spielenden Menschen konzentriert, wird der Verkehr unwichtig für ihn.

 

Zug- und Busfahrten: Hilfreich ist es, die erste Fahrt nicht im Feierabendverkehr vorzunehmen. Es reicht völlig, wenn der Welpe sich vorerst nur an das Schaukeln, die Gerüche und seltsamen Geräusche gewöhnt. Menschenmengen oder spielende, schreiende Schulkinder sind eine andere Baustelle.

 

andere Hunde: Ein Grundproblem bei der Sozialisierung mit Hunden ist, dass man oft nicht einschätzen kann, wie der fremde Hund reagiert.

 

Einige erwachsene Hunde mögen keine Welpen, empfinden sie als aufdringlich, unberechenbar oder schlicht nervtötend. Welpenschutz außerhalb des eigenen Rudels existiert nicht. Vielmehr können vor allem Hündinnen fremde Welpen als unliebsame Konkurrenz zu möglichem eigenen Nachwuchs sehen, mit entsprechenden Reaktionen. Auch angeleinte Hunde neigen teils zu übertriebenem Aggressionsverhalten.

 

So ist es ein Zwiespalt: einerseits soll der Welpe den Umgang und die Kommunikation mit anderen Hunden lernen, andererseits sind schlechte Erfahrungen dabei natürlich absolut kontraproduktiv. Mit schlechten Erfahrungen ist dabei allerdings nicht die Zurechtweisung durch einen erwachsenen Hund gemeint, wenn der Welpe sich daneben benimmt, z.B. zu aufdringlich ist. Das soll und muss er lernen. Wer auf Nummer sicher gehen will, lässt Kontakt in der ersten Zeit nur zu bekannten, souveränen erwachsenen Hunden und zu anderen Welpen zu.

 

Foto: ROVER_JP/flickr Ein Spiel unter Junghunden, lernen fürs Leben

Wenn ein anderer Hund den eigenen Welpen massiv bedrängt, trotz, dass dieser sich schon unterworfen hat, ist ein Eingreifen des Halters gefragt. Auch hier soll der Welpe die Erfahrung machen, dass er sich auf seinen Menschen verlassen kann und dieser ihm Schutz bietet. So kann man auch verhindern, dass der Hund mit zunehmendem Alter dazu übergeht, sich selbst zu verteidigen oder gar „präventiv“ nach vorne zu gehen.

Wenn man die Möglichkeit hat, sollte man seinen Welpen die Erfahrung machen lassen, dass es verspielte und ernste Hunde gibt, geduldige und aufbrausende, Hunde mit kurzem Fang, Zottelfell, Schlappohren oder Stummelrute, große und kleine Hunde. So lernt der Welpe, andere Hunde zu „lesen“ und welche Reaktionen wann angemessen sind. Auf den Kontakt zu unsicheren, sehr aggressiven oder selbst der Hundesprache nicht mächtigen Hunde, verzichtet man aber besser.

Die Grundfrage bei allen Hundebegegnungen sollte immer sein: was lernt mein Welpe hier gerade?

 

andere Tiere: Ein Ausflug aufs Land, an Kühen und Schafen vorbei, lässt den Welpen lernen, dass es Tiere in allen möglichen Größen gibt, auf die gelassen reagiert werden kann. Vorsicht bei Stromzäunen! In einigen Tierparks oder Zoos sind ebenfalls Hunde willkommen. Vor allem Zoos können allerdings eher unsichere Welpen auch völlig überfordern. Im Zweifelsfall beginnt man mit einem ruhigeren kleinen Wildpark, damit der Schuss nicht nach hinten los geht.

 

Innenstadt: Innenstädte bieten eine ganze Flut von Eindrücken. Ein Feuerwerk an Gerüchen und Geräuschen, Menschenmengen und die seltsamsten Objekte. Auch Aufzug fahren, das Betreten glatter Böden und das ignorieren von Brötchen-Resten und Tauben kann der Hund hier lernen. Der Welpe braucht aber unbedingt Zeit, sich in seinem eigenen Tempo darauf einzulassen.

Man beginnt an einem ruhigen Werktag, etwas abseits vom Trubel und beobachtet, wie sein Welpe sich gibt. Ein einziger Platz oder kurzer Straßenabschnitt bietet genug Neues und Abenteuer für eine ganze Woche. Der Welpe darf sich ruhig erst mal hinsetzen und staunend alles beobachten. Je nach Charakter fängt der Welpe früher oder später von selbst an, die Umgebung zu erkunden. Sobald der Welpe bei weiteren Besuchen etwas gelassener auf den Trubel reagiert, kann man gezielt Abschalttraining machen. Man sucht sich eine Bank oder ein ruhiges Cafe und lässt in Ruhe die Umgebung auf sich wirken. Man wartet, bis der Welpe völlig entspannt ist, sich freiwillig hinlegt, dann geht man wieder Nachhause. Es geht dabei nicht um das Erkunden, sondern darum, dass der Hund lernt, auch in belebter Umgebung zur Ruhe zu kommen und abzuschalten. Ein solches Training kann man z.B. auch an Bahnhöfen oder in Parks durchführen.

 

Tierarzt und Postbote: Es scheint sich bei diesen beiden um eine Art natürlichen Feind vieler Hunde zu handeln. Möchte man nicht, dass der Hund später den Postboten verbellt, kann man am Anfang gezielt gegen arbeiten. Man passt den Postboten ab und bittet ihn, den Welpen freundlich zu begrüßen und ihm Futter zu geben. Macht der Postbote das in den nächsten Wochen ein paar mal, ist der Grundstein für eine positive Beziehung gelegt. Die meisten Postboten werden sich gerne darauf einlassen, bedeutet es doch ein Hund weniger, vor dem sie Angst haben müssen, wenn er ihnen mal freilaufend begegnet. Den Tierarzt lernen viele Welpen eher negativ kennen. Das Wartezimmer ist voller Gerüche, die Angst und Stress signalisieren; auch viele Hunde dort sind völlig aufgeregt, bellen oder janken. Der Tierarzt selbst öffnet das Maul, tastet und piekst, was es nicht besser macht.

Für den ersten Tierarzt- Besuch kann man um einen Termin ganz am Anfang oder am Ende der Sprechstunde bitten, wenn das Wartezimmer möglichst leer ist. Dort lässt man den Welpen alles erkunden und beschäftigt sich positiv mit ihm. Der Tierarzt selbst spielt natürlich auch eine große Rolle. Ein guter Tierarzt weiß, wie wichtig der erste Eindruck ist, und wird freundlich Kontakt aufnehmen und erst mal Vertrauen aufbauen. Vielleicht lässt es sich auch so handhaben, dass beim ersten Besuch keine Spritze gegeben wird, sondern nur ein fröhliches Kennen lernen ansteht.

 

Untergründe: Viele erwachsene Hunde haben ein Problem mit dem Laufen auf Gitterrosten (einige Treppen oder z.B. der Aufgang zu Gondeln in den Bergen bestehen daraus), mit Aufzügen, mit Treppen, durch deren Stufen man hindurch sehen kann, mit engen Brücken, glatten Böden oder schwankenden Untergründen. In guten Welpenstunden wird all dies nachgestellt, so dass der Welpe es in fröhlicher Spiellaune kennen lernen kann. Ansonsten ist man selbst gefragt, dem jungen Hund möglichst viele dieser Eindrücke zu gewähren. Sie stärken auch allgemein das Körpergefühl und das Selbstvertrauen des Hundes.

 

Alltagsgeräusche: Wie der Name schon sagt, handelt es sich um Geräusche, die der Hund zufällig immer wieder hört, so dass kaum gezieltes Training notwendig ist. Vor allem auf plötzliche laute Geräusche, Donnergrollen, Schüsse oder herunterfallende klirrende Gegenstände, reagieren dennoch viele Hunde mit Angst. Es gibt Geräusch-CDs im Handel zu kaufen, auf denen eine Vielzahl dieser Geräusche aufgenommen sind. Diese CD kann man bei einem schreckhaften Hund immer mal wieder im Hintergrund laufen lassen, vorzugsweise, wenn der Hund gerade mit etwas Positivem, einem Spiel z.B., beschäftigt ist. Zu Anfang nur ganz leise, dann langsam immer lauter, in dem Maße, in dem der Hund noch einigermaßen entspannt bleibt.

 

Diskussionsbereich